Liebe
Freunde des Heimatvereins und unserer schönen Stadt Warendorf,
zum alljährlichen Struwenbacken am Karfreitag, den 29.3.2024 im Gadem am
Zuckertimpen 4 laden wir Sie herzlich ein.
Mit der auf dem alten Küchenherd gebackenen Struwe und einer
Tasse Muckefuck kann man dann in einer der historischen Wohnstuben über
neue und alte Zeiten plaudern. Das Gadem mit seiner Einrichtung aus den
1920er Jahren weckt immer wieder Erinnerungen an die „gute, alte Zeit“
und bringt amüsante Geschichten zum Vorschein.
Viel Vergnügen!
Mit den besten Wünschen für ein sonniges und erholsames
Osterfest grüßt Sie der Heimatverein Warendorf
Mechtild Wolff, Vorsitzende
Es war schon immer so: Wenn die Schneeglöckchen und Krokusse
blühen, dann zieht es den Gärtner in den Garten! Die Spuren des Winters
müssen beseitigt werden.
Ja, früher hatten auch die Bewohner der Innenstadt einen
Garten, der allerdings „vor den Toren der Stadt“ lag, also außerhalb der
Altstadt. Die kleinen Gärten und Innenhöfe hinter den Wohnhäusern in der
Innenstadt wurden als Spielfläche mit einem Sandkasten für die kleineren
Kinder gebraucht und zum Aufhängen der Wäsche. Oft gab es dort auch noch
einen kleinen Auslauf für die Hühner und einen Brunnen, neben dem eine
Bank für eine Verschnaufpause stand. In diesen Innenhof gelangte man
entweder durch das Haus oder durch die schmale Gasse, die zwischen den
Häusern lag. Sie war gerade so breit, dass man mit dem Bollerwagen
durchfahren konnte.
Das Gartenland außerhalb der Altstadt war meistens Pachtland,
das im Besitz von Bürgerfamilien oder oft auch der Kirche war. Es war
parzelliert und mit einem Geflecht von Wegen durchzogen, den
Gartenstiegen.
unser Gartenhäuschen, gemalt von unserem Bruder Otto Göcke |
Auch wir hatten einen Garten, den unser Vater von der Kirche
gepachtet hatte. Durch das Münstertor gingen wir über den Wilhelmsplatz
und den Bahndamm (heute B 64) in die Gartenstiegen mit den über zwei
Meter hohen Hecken. Diese Buchenhecken umgrenzten die Gärten. Ende Juni
und zu Mariä-Himmelfahrt waren die Gartenbesitzer mit dem Schneiden der
üppig gewachsenen Hecken beschäftigt. Das musste damals noch „mit der
Hand“ gemacht werden, elektrische Heckenscheren gab es noch nicht. Das
Unkraut unter der Hecke in der Gartenstiege wurde regelmäßig
„weggeschuffelt“. Schon von außen sollte der Garten prick und sauber
aussehen. Die Gartentore waren sehr einfach, sie bestanden aus einem
großen Brett, das in einem robusten Balkengerüst aufgehängt war und mit
einem Vorhängeschloss abgesperrt werden konnte.
Durch
die Mitte unseres Gartens führte ein breiter Weg zur Laube, vorbei an
einem bunten, mit Buchsbaum eingefassten Blumenbeet. Diese Laube hatte
Vater aus Holz vom Schreiner erbauen lassen. Unser Bruder Otto hat sie
in einem Bild verewigt. Die Gartenlaube war der Ruheplatz für unsere
Eltern. Im hinteren Teil befand sich ein Verschlag für die Gartengeräte.
Vater führte ein Heft mit dem Titel „Garten“, in dem auf der
ersten Seite der Namen des Gartenbesitzers stand mit dem Pachtpreis und
wann bezahlt werden musste. Auf den folgenden Seiten wurden die
Fruchtfolge und der Pflanzplan des jeweiligen Jahres beschrieben.
Spätestens
mit dem Namensfest der hl. Gertrud am 17. März begann die Gartenarbeit.
Eine alte Bauernweisheit sagt: „Gertrud driv de Fulen rut!“ (Gertrud
treibt die Faulen raus!) Im frühen Frühjahr war schon kräftig gedüngt
worden. Der wichtigste Dünger war die Jauche. An diesen „natürlichen
Dünger“ konnte man leicht kommen, denn die meisten Toiletten waren nicht
an die öffentliche Kanalisation angeschlossen, sondern hatten ihre
eigene Aalgrube. Die musste regelmäßig geleert werden.
Wir wohnten in
der Münsterwallschule und ich erinnere mich an den Gestank auf dem
Schulhof, wenn unsere Aalgrube geleert wurde. Der Deckel der Aalgrube
wurde dann abgehoben und mit dem Stielfass, so nannte man den
eimerartigen Schöpflöffel mit dem langen Stiel, rührte man im
Jauchekump. Dann wurde die Jauche Stielfass für Stielfass herausgehoben
und durch einen großen Trichter in das Aaltönnchen gefüllt, das genau
auf unseren Bollerwagen passte. War unser Aalfässchen bis oben voll,
wurde es gut verschlossen und wir mussten es mit dem Bollenwagen zum
Garten bringen. Das taten wir gar nicht gerne, aber danach wurden wir
nicht gefragt. Im Garten wurde die Jauche dann mit dem Stielfass auf dem
Acker verteilt und konnte in den Boden einsickern. Das stank zwar
zuerst, aber der Boden brauchte Dünger - Kunstdünger gab es damals noch
nicht.
Holzken
Stielfass Zum "Jauchzen"
Unser
Garten war durch die beiden Hauptwege in vier Quadrate aufgeteilt. Die
sollten nun „rigolt“, d.h. tief umgegraben werden. Die Mädchen
verrichteten die leichtere Arbeit: mit einer Schaufel hoben wir die
obere Schicht Erde mit dem verfilzten Unkraut ab und warfen die Scholle
umgekehrt in die ausgeschaufelte Rinne. Unser Bruder Otto musste dann
mit dem Spaten senkrecht graben und die Rinne mit Erde füllen. Manchmal
besorgte Vater für diese schweren Arbeiten eine Hilfskraft. War das
Umgraben getan, wurde die Fläche glatt geharkt und in Beete eingeteilt.
Mit Holzschuhen wurden schmale Wege, die Pättkes, getreten, nachdem an
beiden Seiten eine Pattleine gespannt worden war, damit der Weg akkurat
gerade wurde.
Zuerst
kamen die dicken Bohnen in die Erde. Sie konnten Kälte und etwas Frost
vertragen. Eine große Fläche wurde mit Pflanzkartoffeln belegt. Nach und
nach wurden die Pläne des Gartenheftes umgesetzt. Nachdem die
Eisheiligen überwunden waren - am 12. Mai der hl. Pankratius, dann der
hl. Servatius und Bonifatius und am 15. die kalte Sophie - konnte alles
gepflanzt oder gesät werden. Für die Kohlsorten kaufte Mutter in einer
Gärtnerei kleine Pflanzen. Das war praktisch und auch nicht sehr teuer.
Der Kampf gegen das Unkraut gehörte ganzjährig zu den
Gartenmühen; nur ein gepflegtes und unkrautfreies Gemüsebeet
versprach reiche Ernte. Mutter trug bei der Gartenarbeit immer ihren
Sonnenschutz, denn damals war es vornehm, eine blasse Gesichtsfarbe zu
haben.
Auch die Wege und Pättkes wurden regelmäßig mit dem
„Schüffelken“ von Unkräutern befreit. Samstags wurden sie fein
säuberlich geharkt. Mit großem Stolz betraten unsere Eltern dann
sonntags nach der Kirche den gepflegten Garten und freuten sich, wenn
auch der Nachbar einen Blick über den Zaun warf.
Jeden Tag ging unser Vater zum Garten und sah nach dem Rechten.
Alle Gartenmühe wurde belohnt, wenn er den ersten Salat und einen Korb
voll dicker Bohnen und einem schönen Blumenstrauß mit nach Hause
brachte. Nach dem langen Winter war frisches Gemüse eine Köstlichkeit.
Gekauftes Gemüse gab es damals so gut wie gar nicht.
Wenn die Wallfahrtsprozession nach Telgte ging, also Anfang
Juli, gab es erstmals frische Erbsen und Wurzeln aus dem eigenen Garten,
dazu ein gebratenes Hähnchen. Welch ein Hochgenuss! Unsere Mutter machte
eine gute Suppe dazu und zum Nachtisch gab es Stippmilch mit frischen
Erdbeeren - ein echtes Festessen. Über den gesundheitlichen Wert von
Obst und Gemüse wurde gar nicht gesprochen, das war selbstverständlich.
Unsere Mutter war sehr darauf bedacht, jeden Tag frisches Gemüse und
Salat auf den Tisch zu bringen. Bei seinem nachmittäglichen Gang in den
Garten bekam Vater die Order: „Bring bitte einen Bund Wurzeln und
Kartoffeln mit und guck mal, ob wieder ein paar Erdbeeren und Himbeeren
reif sind!“ Und Vater brachte es am Abend heim.
Oft fuhr Mutter mit dem Rad zum Garten. Mit einem Blick sah
sie, was für die nächsten Mahlzeiten geeignet war. Der Garten war ein
Gesundbrunnen für die ganze Familie. Selbstverständlich kamen alle
Kräuter täglich frisch aus dem Garten. In Haunhorsts Garten, unserem
Nachbargarten, gab es sogar ein Spargelbeet. Jeden Morgen und jeden
Abend wurden die Spargelstangen, die ihr weißes Köpfchen aus der Erde
steckten, mit dem langen Spargelmesser gestochen und in ein
Rhabarberblatt gewickelt, das dann in ein tiefes Erdloch gelegt wurde.
Wieder mit Erde bedeckt blieb der Spargel frisch, bis sich genug für
eine Mahlzeit angesammelt hatte. Manchmal reichte der Nachbar ein
Spargelbündel über den Zaun, dann gab es auch bei uns sonntags Spargel.
Im Frühjahr erfreute uns die Pracht der blühenden Bäume. Der
Pfirsichbaum wechselte mit dem Pflaumenbaum, rosa und weiß, später
blühte der rosa-weiße Apfelbaum. Unser aller Lieblingsapfel war der
Grafensteiner. Meine Schwester Hildegard und später mein Neffe Peter
hatten Ende August Geburtstag. Sie durften die ersten Grafensteiner
ernten und voll Genuss in den saftigen Apfel beißen.
Aufmerksam
beobachtete Vater, ob die Beerensträucher ordentlich Früchte ansetzten.
Das war wichtig für den Wintervorrat. Wir Kinder halfen fleißig beim
Ernten der Erdbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren und Johannisbeeren.
Mutter war eigentlichen den ganzen Sommer über mit dem Einkochen
beschäftigt. War die Erdbeer-Rhabarber-Marmelade fertig, kam die
Vierfrucht-Marmelade aus Stachelbeeren und roten und schwarzen
Johannisbeeren und Himbeeren an die Reihe. Viele Einmach- und
Marmeladengläser standen in unserem Keller in Reih und Glied und wir
freuten uns schon auf die leckere Stachelbeertorte im Winter. Der Saft
aus Holunderbeeren war unser Wintervorrat an Vitaminen.
Im Herbst fuhren wir mit dem Bollerwagen die Apfelernte nach
Hause. Die guten Äpfel packten wir in die Apfelregale im Keller und die
beschädigten wurden zu Apfelkompott eingeweckt. Köstlich roch es in der
Küche, wenn Mutter Apfelringe und Pflaumen im Backofen trocknete.
Möhren, Rüben, Rotkohl und Weißkohl wurden in einer „Miete“
frisch gehalten, einer sehr alten und bewährten Vorratshaltung. In der
Laube im kleinen Garten am Schulhof hob unser Vater im Herbst eine
kleine Grube aus und legte sie mit Stroh aus. Das Gemüse wurde
ordentlich darin gestapelt und dann mit Stroh abgedeckt. So lagerte es
frostsicher und Mutter konnte sich jederzeit das gewünschte Gemüse für
das Mittagessen aus der Miete holen.
Zu jeder Mittagsmahlzeit gab es in unserer siebenköpfigen
Familie Kartoffeln. Wir deckten uns zu Fettmarkt mit etwa 20 Zentnern
Kartoffeln ein. Dazu kamen zwei Zentner kleine, fest kochende
Sonntagskartöffelchen, die uns der Bauer Fressmann vom Sassenberger
Landweg brachte. In unserem kühlen Keller, der gut belüftet war,
lagerten sie in großen Kartoffelkisten. Der Vorrat reichte bis Ende
Juni, dann gab es die Frühkartoffeln aus dem Garten.
Die Wasserversorgung im Garten wurde früher dem Himmel
überlassen. Für sehr trockene Tage gab es an der Gartenlaube eine kleine
Tonne, die vom Regenwasser des Laubendaches gefüllt wurde.
Der Erfolg der liebevollen Pflege des Gartens blieb nicht aus.
Viele Körbe voll mit Gemüse und Obst sorgten für die ausgewogene und
gesunde Ernährung der Familie. Der wirtschaftliche Vorteil wurde nie
errechnet, von der schweren Arbeit bei oft sengender Hitze, den
Rückenschmerzen und den schwarzen Händen wurde nie gesprochen.
Gartenarbeit gehörte zum normalen Alltag und hat uns trotz aller Mühen
immer mit Freude und Zufriedenheit erfüllt.
Die Autorin Eugenie Haunhorst geb. Göcke
wurde 1912 in Warendorf geboren und wuchs in einer
Lehrerfamilie mit vier Geschwistern in der Münsterwallschule auf. Im
Alter von 90 Jahren begann sie, Erinnerungen aus ihrem Leben im
Warendorf der 1920er Jahre aufzuschreiben. Sie starb 2016 im Alter von
103 Jahren.
Bilder: Archiv Wolff
Bin lesten Krinknommdag int Malteser Marienheim
konn de Baas, Franz Schulze Nahrup, gurt vettig Lüe begrüßen. Dat ösige
Wiär konn de Besökers nich daovon affholn, en lük fö de Moderspraoke to
dohen. Met dat Leed „Freit
ju ant Liäben“ gong et loss.
Josef Bussmann harr wat üöwe Lichtmess to vetelln. Fröher leip alls mä
nao dat Kiärkenjaohr. Von
Dage hät de Kalenner den Afflaup von dat Jaohr to bestimmen. Bie gurt
Wiär kammen daomols dann auk oll de ersten dicken Baunen
in de Iäre. Auk dat Vetellsels von den Blaosiussiängen kam von
em. Heinz Beckhove harr passend
wat üöwe den vierlen Riägen.
„Dat Water stötere men so ut den Hirmel“.
Auk konn he daorüöve berichten, dat de Westfaolen alle toiärst in
de Hölle kammen. Bie dat
Leed „Wenn alle Pütts vull Water sin, dann mot man drinken“ konnen de
Besökers es wiee derbe Damp
aflaoten, well dat se de ganz Tiet tohöen mossen.
Ernst Ruhe harr sick
lustige Vetellsels trechte legget. He brach „Dat Goldpaar bie
Petrus“ und „ De Besök kam up den besten Stuorm“. Auk de Baas har nen
Riemsel metbracht „ Wenn sovull Riägen von bouben kümp mot man den
HerrGott danken, well dat he an dat schöne Mönsterland denkt“.
Auk „En Panker hät bien Friseur sine Müske wiee funnen“ kam von
em. Wiede gongt met dat Leed „O wu schön is mien Westfaolen“. Auk de
Karneval kam nich te kuort.
So gawt wiee allerhand to lachen un met dat Toropleed „ Gurd gaohn, auk
so, bes en anner Maol“ gong man vegnögt nao Huuse. De neichte
Krinknommdag is an,n 10.April, wiee int
Malteser Marienhiem.
Wenn man vor dem Gadem steht, hat man nicht den Eindruck, vor
einem Museum zu stehen. Ein Museum, das ist ein Schloss, eine Burg oder
doch wenigstens ein prächtiges Haus. In Warendorf ist das etwas anders.
Wir haben hier kein zentrales Heimatmuseum im üblichen Sinne, in dem
alle Schätze ausgestellt werden, die unsere Stadt besitzt. Warendorf hat
ein „Dezentrales Stadtmuseum“, das aus fünf Museumshäusern besteht, in
denen das Alltagsleben in einem kleinen Landstädtchen gezeigt wird, in
denen gezeigt wird, wie die Menschen zu verschiedenen Zeiten und in
verschiedenen Lebenssituationen gelebt haben.
Dazu gehört das Rathaus am Marktplatz mit dem historischen
Ratssaal – das hochherrschaftliche Haus Klosterstraße 7 mit den
prächtigen handgedruckten Bildtapeten, das von dem preußischen Hof Dr.
Katzenberger erbaut wurde – das Fabrikantenhaus Bispinck an der
Münsterstraße, in dem eine Fabrikantenfamilie wohnte – das
Torschreiberhaus mit dem Büro und der Wohnung des Torschreibers – und
das Gadem am Zuckertimpen, in dem man das Leben der „einfachen Menschen“
erleben kann.
All diese Museumshäuser kann man jeden Sonntag von 15-17 Uhr kostenfrei besichtigen. Man erkennt sie an der kleinen Warendorf-Fahne.
Ein Gadem ist ein „Kleine-Leute-Haus“, meistens in einer
Seitenstraße, im Hinterhof oder am Stadtrand gelegen. Oft wurde es von
Kaufleuten als Altenteil erbaut oder als Mietobjekt zur
Altersversorgung. In einem Miet-Gadem - es gab früher 360 Gademe in
Warendorf, heute sind es noch ca. 60 - wohnten einfache Handwerker,
Tagelöhner und auch einfache städtische Beamte, wie z.B. der
Lampenanzünder, der Turmbläser oder der Nachtwächter, aber auch Witwen
und unverheiratete Frauen, also Menschen, die zwar nicht arm, aber auch
nicht zur wohlhabenden Bürgerschaft gehörten. Interessant ist, dass
damals auch Chirurgen und Notare zu dieser Bevölkerungsschicht gehörten
und in Miet-Gademen wohnten. In diesen kleinen Häuschen lebten oft mehr
als 10 Personen, mit ihrem Schwein, ihrer Ziege, den Hühnern und dem
Hund und der Katze. Die Tiere kamen aber nur abends ins Haus, über Tag
wurden sie auf die Straße getrieben und ernährten sich von den Abfällen,
die auf die Straße geworfen wurden. Eine Müllabfuhr gab es damals noch
nicht, darum hatte jedes Haus einen Misthaufen vor der Tür, auf den
alles, was man nicht mehr brauchte, geworfen wurde. Schmutziges Wasser
kippte die Hausfrau nach dem Spülen und nach dem Waschen in die „Gosse“.
Das tat jeder so, darum entstand hier ein kleines Rinnsal. Man
verbrauchte aber längst nicht so viel Wasser wie heute, denn alles
Wasser musste mit dem Eimer von der Pumpe geholt werden. Fließendes
Wasser gab es in Warendorf erst ab 1907, hier in diesem Gadem gab es
auch 1925 noch keinen Wasseranschluss.
Gepflastert waren die Straßen damals noch nicht, bei
Trockenheit staubte es hier sehr und bei Regen war es noch viel
schlimmer, dann verwandelte sich die Straße in Schlamm und Matsch und
war kaum passierbar.
Im 18. Jahrhundert wurden die Gademe zunehmend von Kleinbürgern
erworben, so auch das Gadem Zuckertimpen 4. Heute wird hier gezeigt, wie
das Wohnen in den 1920er Jahren im Gadem ausgesehen haben könnte.
1925 war der Fuhrmann Heinrich Rolf (*1879) der Besitzer dieses
kleinen Häuschens. Er wohnte hier mit seiner Frau Elisabeth und seinen
drei Kindern Paul, Hedwig und Robert. Fuhrmann Rolf verdiente sein Geld
mit dem Transport von Waren, vielleicht mit einem Pferdewagen oder auch
mit einem Handwagen oder einer Schubkarre. Damit konnte er den
Lebensunterhalt seiner Familie sichern und sich dieses kleine Häuschen
kaufen. Aber das Geld reichte nicht, um allein in dem Haus zu wohnen,
darum hatte er einen Einlieger, also eine Familie, die mit ihm das Haus
bewohnte. Das war der Lokomotivputzer August Droste mit seiner Frau und
zwei Kindern.
Im Gadem rechts
von der Eingangstür liegt die „Gute Stube“ der Familie des
Hauseigentümers Rolf. Sie wurde nur zu besonderen Gelegenheiten geheizt,
zu Weihnachten, zu Ostern, zu Familienfesten und wenn der Pastor zu
Besuch kam. Die Gardinen in der guten Stube sind besonders elegant. Sie
wurden aus einem ehemaligen Bettüberwurf genäht, der in einer
wohlhabenderen Kaufmannsfamilie als Tagesdecke gedient hatte. Ein gutes
Beispiel für die Weiterverwendung von Textilien.
Das Alltagsleben der Hausbesitzerfamilie fand in der kleinen
Wohnstube statt. Die Familie des Fuhrmanns saß um den Tisch herum und
wer Glück hatte, bekam den gemütlichen Platz auf dem alten Ledersofa.
Hier machten die Kinder ihre „Schularbeiten“, hier stopfte die Mutter
die Socken und der Vater rauchte nach Feierabend sein Pfeifchen.
Der
Mieter August Droste hatte vorne links seine Wohnstube, in der das
tägliche Leben stattfand. Auf dem kleinen Kanonenofen konnte auch
gekocht werden, aber die Mahlzeiten wurden sicher auf dem großen Herd in
der Küche zubereitet. Im Obergeschoss hatte die Familie ihre
Schlafkammer, in der sie alle zusammen in einem Zimmer schliefen. Die
Kinder teilten sich ein Bett.
In der Flurküche fällt der erste Blick auf den Herd, auch
Kochmaschine genannt, der mit Holz oder Kohle beheizt wurde. Hier
kochten die Besitzerfamilie Rolf und sicher auch der Einlieger Droste -
der Herd war das Zentrum des Hauses. In dem großen Küchenschrank
befanden sich alle Lebensmittel. Im Brotkasten sind noch heute
„Knabbeln“ zu finden, denn Vater aß morgens „Kaffee mit Beschüte“.
Links neben dem Küchenschrank hängt ein „Ewiges Handtuch“, ein
Gerstenkornhandtuch, das mit einem Spitzendurchsatz aneinander gehäkelt
und über einen Rundstab gehängt wurde. Hier suchte sich jeder eine
trockene Stelle zum Abtrocknen der Hände.
Neben dem Küchenschrank ist der Vorrat und wenn man die
Bodenklappe öffnet, kann man eine kleine Treppe in eine weitere
Vorratskammer heruntergehen. Sie liegt etwas tiefer, damit die Vorräte
kühl bleiben. Im Vorratsraum sieht man den Stolz der Hausfrau: viele
Einmachgläser mit Birnen, Pflaumen, Pfirsichen und Stachelbeeren, dazu
die Marmeladengläser und die Schmalztöpfe. Das Pökelfass mit den
Schnibbelbohnen und das Sauerkrautfass durften auch nicht fehlen. In
einem braunen Tontopf wurden die Eier in Wasserglas eingelegt, damit
auch in der eierarmen Zeit ein leckerer Kuchen gebacken werden konnte.
Möhren und Kartoffeln kamen in die Miete im kleinen Garten hinter dem
Haus. So hatte die Hausfrau das gute Gefühl, gut für den Winter
vorgesorgt zu haben. Ja, ein gut gefüllter Vorratskeller war der Stolz
der Hausfrau.
Früher,
und das ist noch gar nicht so lange her, kaufte die Hausfrau nur das,
was sie nicht selbst herstellen konnte: Salz, Gewürze, Mehl, Hering und
beim Milchmann Butter und Käse und die Milch in der guten alten
Milchdüppe. Wer es sich leisten konnte, kaufte gelegentlich Fleisch beim
Metzger oder Fisch im Fischgeschäft. Zu Weihnachten wurden Nüsse und
Mandeln und Kardamom im Kolonialwarenladen gekauft - diese Waren kamen
aus den Kolonien.
Im Stall hinter der Spülküche wurde ein Schwein fettgefüttert.
Vor Weihnachten kamen der Schlachter und die „Wurstefrau“ und endlich
gab es Fleisch im Überfluss. Aber auch das Fleisch musste lange reichen,
es wurde in Gläser eingekocht, eingepökelt und zu Würsten verarbeitet,
die mit dem Schinken zusammen im Rauchfang geräuchert wurden, um haltbar
gemacht zu werden. Der Flomen wurde ausgelassen, so wurden auch die
Schmalztöpfe wieder gefüllt.
Fast jeder Bürger hatte damals einen Kamp, also einen Acker
oder einen Garten vor den Toren der Stadt. Da pflanzte man Gemüse und
Obst, Kartoffeln und Kräuter an, pflegte den Garten über den Sommer und
erntete im Herbst.
Geht man links am Herd vorbei, kommt man in die Waschküche.
Hier finden sich alle Gerätschaften, die um 1925 zum Waschen gebraucht
wurden, Kernseife, Sand und Soda, Rubbelbrett und Stampfer, Eimer,
Kannen und die Waschbütt. Auf der Wasserbank standen die Eimer, die an
der Pumpe mit Wasser gefüllt worden waren, denn dieses Haus hatte ja
1925 noch kein fließendes Wasser, jeder Eimer Wasser musste von der
Pumpe geholt werden, eine sehr mühsame Arbeit. Darum ging man zum
Waschen und Spülen der „Großen Wäsche“ gern an die Ems zum Waschbrett.
Zum Trocknen wurde die Wäsche im Garten aufgehängt. In der Ecke der
Waschküche hängt eine Klammerschürze mit dem guten Wunsch „Schön Wetter“
- sie ist gefüllt mit schönen, oft noch handgeschnitzten
Holzwäscheklammern.
Die
fertige Wäsche kam in einen Wäschekorb, der mit einem bestickten
„Rolltuch“ abgedeckt war. So wurde die saubere Wäsche geschützt, wenn
sie auf Rollen gewickelt zum Kaltmangeln gebracht wurde. An der Wand in
der Waschküche hängt ein Wandschoner mit dem Spruch: „Wie alles in der
Küche blank, so sei es auch die Wasserbank.“ Hinter diesen Tüchern
verbarg man oft stockfleckige oder unansehnliche Wandflächen.
Vom
Flur aus geht eine enge Treppe hoch zu den Schlafräumen. Vorne befindet
sich das Schlafzimmer der Eigentümerfamilie Rolf. Auf den Betten liegen
warme Federbetten mit einem Leinenbezug. Im Spitzeneinsatz steht „Gute
Nacht“ und „Schlafe wohl“. Ausgebreitet auf dem Bett liegt ein
Männerhemd, das sowohl als Tageshemd als auch ein Nachthemd dienen
konnte. Auf dem anderen Bett sieht man ein Frauennachthemd mit passender
Hose, verziert mit Klöppelspitzen und Monogramm. Die dazu passende
Nachtmütze, die um 1925 noch vielfach getragen wurde, hängt auf dem
Bettpfosten. Am Fußende steht die Babywiege für den jüngsten Spross der
Familie.
Elternschlafzimmer | Mantelstock | Kinderzimmer |
Im
Leinenschrank präsentiert sich der ganze Stolz der Hausfrau: die
Wäscheaussteuer mit Bettwäsche, Tischwäsche, Handtüchern,
Überhandtüchern und Schürzen. Am Schrank hängt der Gehrock, das
Kleidungsstück für festliche Anlässe oder den sonntäglichen Kirchgang.
Außerdem sieht man leinene Männerhemden und eine tailiierte Jacke,
„Taille“ genannt mit Streifen im Blaudruckverfahren. Das Kinderzimmer
befindet sich neben der Bodentreppe. Hier schliefen die zwei älteren
Kinder der Besitzerfamilie. Auf den Stühlen sieht man eine geteilte
Unterhose für Mädchen und viele andere, auch indigogefärbte
Leinen-Unterwäsche. Auch der Schutzengel darf nicht fehlen, hier ist er
gestickt auf einem Wandbehang.
Im
nächsten Raum schlief die Mieterfamilie Droste: Vater, Mutter und die
zwei Kinder, die sich ein Bett teilten. Die Hauswäsche und die
Kleidungsstücke wurden in einer Truhe aufbewahrt. Kleider, die nicht
gefaltet werden sollten, hingen im Mantelstock in der Ecke.
Die
Kammer direkt links an der Treppe mit der besonders schön gestalteten
Glastür bewohnte die unverheiratete Tante Lucie. Sie arbeitete im
Krankenhaus und nähte gerne, darum stand in der guten Stube auch die
hochmoderne Nähmaschine. Auf der blauseidenen Steppdecke des Bettes,
liegt eine Tasche mit Spitzenbesatz und dem Schriftzug „Gute Nacht“, in
der tagsüber die Nachtwäsche und nachts die Tageswäsche aufbewahrt
wurden. Die Bretter des Wäscheschrankes tragen den so gerne verwendeten
gestickten Spruch:
„Geblümt im Sommerwinde, gebleicht auf grüner Au,
liegt still es hier im Spinde, als Stolz der deutschen Frau“.
Ein
schöner Nebenverdienst war auch das Vermieten von Betten an Kostgänger.
Das waren meistens junge Leute, oft sogar Schüler des Gymnasium
Laurentianum, die bei der Familie Rolf in Kost und Logis waren. Sie
hatten ihr Bett wahrscheinlich in dem mittleren Zimmer. Oft teilten sich
mehrere junge Leute ein Zimmer. Sie aßen als „Kostgänger“ mit am Tisch
der Familie.
In jedem der Schlafräume findet sich noch eine Vielfalt an
Kleidungsstücken und insbesondere die „Unaussprechlichen“, die
Unterhosen mit langen, geteilten Beinen, die Klapphosen und die feinen
Hosen mit Rüschen und Spitzen.
Natürlich hat jeder Schlafraum sein „Waschlampet“, die
Waschschüssel mit der Kanne. Auch das Nachttöpfchen unter dem Bett und
der bequeme Nachstuhl neben dem Bett dürfen nicht fehlen.
Warum das Nachtgeschirr im Schlafzimmer so wichtig war, begreift
der Besucher schnell, wenn er den weiten Weg durch den Flur, die Wasch-
und Spülküche, den kleinen Stall, wo das Schweinchen gemästet wurde, bis
in den Hof gegangen ist. Dort befindet sich die Tür mit dem Herzchen,
hinter der sich ein echtes Plumpsklo verbirgt, mit fein säuberlich
geschnittenem Zeitungspapier für besondere Zwecke, aufgespießt auf einem
festen Drahthaken.
Im
Stall wurde das Schweinchen fett gefüttert, Weihnachten überlebte es
meistens nicht. Hier stehen auch der Bollerwagen und die Acker- und
Gartengeräte, hier hängen eine blaue Arbeitsschürze aus indigogefärbtem
Leinen und der „Schlapphut“, der bei der Feld- und Erntearbeit von den
Frauen getragen wurde. Er schütze gegen die Sonne und den Staub. Der mit
Peddigrohr versteifte Rand sorgte für einen luftigen Abstand von Kopf
und Nacken.
All diese Gerätschaften werden gebraucht für die Pflege des
kleinen Gartens, in dem natürlich auch ein paar Hühner herumlaufen.
Darum ist das Beet mit den Blumen auch eingezäunt. Eine gute Hausfrau
hatte immer frische Blumen auf dem Tisch stehen, die sie hier aus dem
Garten holte. An der Wand zum Nachbargarten findet man noch heute eine
Vielzahl Küchenkräuter, die für jede Mahlzeit frisch gepflückt wurden.
Die Hühner versorgten die Familie mit frischen Eiern und sie und das
Schwein fraßen alles, was in der Küche nicht mehr gebraucht wurde -
Kartoffelschalen, Möhrenschalen und Erbsenschoten, Salatblätter und alle
Essensreste. Man ließ nichts verkommen!
Sonntags setzte sich die Familie gern in den Garten unter den Pflaumenbaum. Eine Ruhebank gab es auch in der Ecke an der alten Stadtmauer, ein ganz besonders schöner Platz zum Kartoffeln schälen oder für eine kurze Verschnaufpause.
Bollerwagen (Leiterwagen) zum Transport der Gartengeräte, der Ernte,
etc.
Mechtild
Wolff
Friedhofsrundgang des Heimatvereins mit Mechtild Wolff
Klönsonntag mit Mechtild Wolff
Zum Tag des offenen Denkmals:
Die Gesellschaft Harmonie in Warendorf
Heimatfest Mariä Himmelfahrt
Erlebte Geschichte: Mariä Himmelfahrt in den 1920er
Jahren von Eugenie Haunhorst
Unser engagiertes Ehrenmitglied Kurt Heinermann verstarb
im Alter von 91 Jahren
Anni Cohen und ihre Familie - von Warendorf nach Südafrika und Palästina
von Mechtild Wolff
Eduard Elsberg erbaute das erste große Kaufhaus in Warendorf
von Mechtild Wolff
Der
Elsbergplatz
von Dr. Bernward Fahlbusch
Das Fahrrad, ein wertvoller Besitz
von Eugenie Hauenhorst
Traditionelles Struwenessen an Karfreitag im Gadem am Zuckertimpen
Filmvorführung des Heimatvereins: "Als Warendorf sich wieder machte..."
Neujahrsgruß des Heimatvereins
Warendorfer Schriften Band 51/52 neu erschienen
Aus der Warendorfer Eisenbahngeschichte:
Der "Neue Bahnhof" in Warendorf von Mechtild Wolff
Aus der Warendorfer Eisenbahngeschichte:
Der "Alte Bahnhof" in Warendorf
Der Warendorfer Friedhof - Spiegel der Stadtgeschichte
Gebr. Hagedorn und Co, eine Landmaschinenfabrik mit Eisengießerei
Das Dezentrale
Stadtmuseum
ist in der Regel an Sonn- und Feiertagen von 15:00 - 17:00 Uhr
geöffnet.
Der Eintritt ist frei.