*1884
in Paderborn
+ 1964 in Warendorf
Heinrich Blum kam 1909 unter Direktor Dr. Alfons Egen als
Gymnasialoberlehrer ans Gymnasium Laurentianum.
Niemand hat Heinrich Blum so treffend beschrieben wie Friedel Bohmert
(1919-2015) in seinen Büchern „Alle wollten nur überleben“ und „Denk ich
an dieses Warendorf“. Er schrieb:
„Unser erster Klassenlehrer am Gymnasium wurde Oberstudienrat Blum.
Das war 1929. Er war Englisch-, Französisch- und Lateinlehrer und
außerdem Sportlehrer, was ihm erst niemand zutraute. Er turnte jede
Übung vor und machte noch im hohen Alter eine Flanke über das Pferd.
Heinrich Blum nahm all seine Aufgabe sehr genau. Er war schon in der
Sexta unser Lateinlehrer und wir hatten schon sehr bald den Eindruck,
dass es auf dieser Welt nichts Wichtiges gab als Latein. Und wenn wir
daran zu zweifeln gewagt hätten, wir wären von „Mister Blum“ eines
Besseren belehrt worden. Wie selbstverständlich legte er bei Bedarf
zusätzliche Lateinstunden ein und verlängerte sie nach Belieben. Kurzum,
wir wurden in diesem ersten Jahr von der Schule völlig in Anspruch
genommen.
Heinrich Blum war recht hager, ja, er machte auf uns einen
asketischen Eindruck. Wir hatten sehr viel Achtung vor ihm, aber geliebt
haben wir ihn nicht. Dazu ging er zu großzügig mit unserer Freizeit um.
Wenn der leidenschaftliche Pädagoge mal wieder mit großer
Selbstverständlichkeit die letzte Stunde verlängerte, dann saßen wir auf
glühenden Kohlen, dachten an die geplanten Spiele in Lippermanns Büschen
und an Dammbauten zwischen Alter und Neuer Ems. Mister Blum störte das
nicht.
Seine Nachmittage stellte er auch ganz selbstverständlich den
Schülern zur Verfügung. Er war wie besessen von seiner pädagogischen
Aufgabe. Als ich in Obertertia mit meinen Leistungen absackte, bat mein
Vater Mister Blum um Rat. Das brachte mir den von mir gar nicht
geschätzten Nachhilfeunterricht in seinem Hause ein. Es war nicht so,
dass er sich um uns zwei oder drei Nachhilfeschüler sehr gekümmert
hätte. Er stellte uns ganz klare Aufgaben und band uns so für ein paar
Stunden an unsere Bücher und den Schreibtisch - das genügte, um unsere
Lücken auszufüllen. Wir hätten es nicht gewagt zu schummeln, Mr. Blum
hätte uns erwischt.
So, wie die vier Fahrschüler, die in Warendorf nicht ausgestiegen
waren, sondern in der Absicht, die Schule zu schwänzen, mit dem Zug
weitergefahren waren bis zum Hemfelder Hof, wo sie sich mit zünftigem
Doppelkopp einen vergnüglichen Vormittag machen wollten. Um 10 Uhr
öffnet sich die Kneipentür und herein kommt Oberstudienrat Blum, der das
Fehlen seiner Helden bemerkt hatte. Er begrüßt sie freundlich, bestellt
sich ein Glas Milch und fordert die Schüler auf, die englische Lektüre
und die französische Grammatik herauszuholen. Dann folgte bis 13 Uhr ein
intensiver Privat-Unterricht, bei dem es kein Mogeln und Verstecken gab.
Man kann vielleicht verstehen, dass wir Schüler froh waren, dass er
wegen seiner Fähigkeiten an das Provinzialschulkollegium nach Münster
geholt wurde. Die Nazis haben ihn dann allerdings nach 1933 schnell
wieder nach Warendorf zurückgeschickt. Die Welt der NS-Ideologie passte
nicht zu diesem überzeugten, asketischen Katholiken. Das gesamte
Kollegium des Laurentianum war Mitglied in der NSDAP. OSTR Blum aber
weigerte sich standhaft, der Partei beizutreten, gemeinsam mit STR
Meinersmann und Beckermann, dem Kunstlehrer Hans Maria Rosenstengel und
den Katholischen Geistlichen Heitmann und Dr. Burlage. Sie alle wussten,
wie schwer sie sich das Leben damit machten. OSTR Blum verlor dadurch
seine Ehrenstellung als stellvertretender Schulleiter des Gymnasium
Laurentianum, die er seit 1926 als Dienst ältester Lehrer innehatte.
Die meisten Lehrer der älteren Generation waren nicht aus Überzeugung
in der Partei, sie hatten nur einen Wunsch: Sich aus den politischen
Querelen herauszuhalten!! Sie leisteten weder aktiven noch passiven
Widerstand, es war aber für die Schüler nicht schwer, zu erkennen, ob
sie mit den Anordnungen der Schulbehörde einverstanden waren oder nicht.
Sie legten sich ein wenig braune Tünche auf, ohne sich innerlich mit der
NS-Ideologie zu identifizieren. So konnten sie überleben, denn wer
wollte schon seine Existenz aufs Spiel setzen?
Heinrich Blum machte keinen Hehl aus seiner Verachtung für das NS
Regime. Er war ein überzeugter Katholik, der auch in den
Laienorganisationen der Kirche unermüdlich für soziale Zwecke wirkte. Er
hatte Zivilcourage. Das zeigte er auch, als bekannt wurde, dass der
Primaner Bohmert an einer verbotenen nächtlichen Kundgebung einer
katholischen Organisation teilgenommen hatte und deshalb vom Abitur
ausgeschlossen werden sollte. Solch ein Schüler wurde auf dem Schulhof
sofort isoliert, denn niemand wollte sich selbst in Gefahr bringen.
Oberstudienrat Blum aber trat zu ihm und sagte: „Nur Mut und Kopf hoch!
Schon Bismarck hat gesagt: Der Herrgott verlässt keinen aufrechten
Deutschen!“ Selbst solch ein Spruch tat dem Verfemten gut und im
Hintergrund setzte Blum dann alle Hebel in Bewegung, um die
Zurücksetzung des Schülers Bohmert zum Abitur aufheben zu lassen, was er
auch erreichte.“
Soweit die Schülererinnerungen des Laurentianers Friedel Bohmert.
Heinrich Blum stand aber auch seiner Heimatstadt Warendorf mit Rat
und Tat zur Verfügung. Als in den letzten Kriegstagen der
NS-Bürgermeister Hase Warendorf schon verlassen hatte und dem
Stadtrendanten Theodor Lepper die Verantwortung für die Stadt übergeben
hatte, bat Lepper OSTR Blum an der Übergabe der Stadt an die
Siegermächte teilzunehmen, nicht nur, weil seine guten Englisch
Kenntnisse bei den Amerikanern dringend erforderlich waren, nein, ganz
besonders weil Heinrich Blums umsichtige und vertrauenerweckende
Ausstrahlung von größter
Bedeutung
war. Als am Osterdienstag die alliierten Truppen in Warendorf einzogen,
konnte die Übergabe der Stadt friedlich und ohne einen Schusswechsel
erfolgen, Ruhe und Ordnung wurden bewahrt und es kam zu einem
reibungslosen Umgang mit der amerikanischen Besatzungsmacht und später
mit den Engländern.
Heinrich Blum wurde am 3. April 1945 vom kanadischen Ortskommandanten
zum Bürgermeister ernannt. Dieses Amt wollte er aber bestimmt nicht
behalten. Darum schlug er der Besatzungsmacht den Sassenberger
Amtsbürgermeister Heinrich Temme vor, der dann auch am 5. April 1945 zum
Warendorfer Bürgermeister bestellt wurde. Somit ging Heinrich Blum als
der Bürgermeister mit der kürzesten Amtszeit in die Warendorfer
Geschichte ein.
Im Dezember ließ er sich dann aber zum Stadtbeirat
ernennen und war bis 1952 ununterbrochen Mitglied des Rates der Stadt
Warendorf. 1954 ernannte der Rat der Stadt Warendorf ihn zum
Ehrenbürger, der bei offiziellen Anlässen ein geschätzter Redner war. So
erinnerte er 1956 als Vertreter der Bürgerschaft in einer sehr
bewegenden Grabrede an die vielfältigen Verdienste des so plötzlich
verstorbenen Bürgermeisters Josef Heinermann.
Von 1931 bis 1964 war Heinrich Blum im Vorstand der
katholischen Kirchengemeinde Laurentius und der Caritas aktiv. 1959
wurde er dafür mit dem Päpstlichen Orden "Pro ecclesia et pontifice"
ausgezeichnet.
Bis zu seinem Tode 1964 war OSTR Heinrich Blum ein engagierter
Bürger, der Alteingesessenen und Neubürgern mit Rat und Tat zur Seite
stand. Er wurde auf unserem Friedhof unter großer Anteilnahme der
Bevölkerung in einem Ehrengrab beigesetzt.
In Erinnerung an den gradlinigen und mutigen Bürger wurde im
Warendorfer Süden eine Straße „Heinrich-Blum-Straße“ genannt.
Quellen:
Friedel Bohmert: „Alle wollten nur überleben“ Schnell
Druck Warendorf 1998
Friedel Bohmert: Das Refugium in: „Denk ich an dieses
Warendorf“
Schnell Druck Warendorf 1980
Klaus Gruhn: „Bildung, literarisches Leben,
Persönlichkeiten“
in Stadt und Kreis Warendorf Kreisgeschichtsverein 2014
Jürgen Gojny: „Warendorf in der NS Zeit“
in Geschichte der Stadt WAF Band 2
Heinrich Blum, von allen "Mister Blum" genannt
Franz Joseph
Zumloh, der Begründer des Josephshospitals
Maria Anna
Katzenberger und Heinrich Ostermann
Hermann Josef
Brinkhaus,
Gründer der Firma Brinkhaus
Eduard
Wiemann und die Villa Sophia
Anna
Franziska Lüninghaus, Gründerin der Marienstiftung
Wilhelm
Zuhorn, Geheimer Justizrat und Geschichtsforscher
Bernard
Overberg, der Lehrer der Lehrer
Arthur
Rosenstengel, Seminarlehrer, Musikerzieher und Komponist
Pauline
Hentze, Begründerin der Höheren Töchterschule
Franz
Strumann, Pastor und Förderer der höheren Mädchenbildung
Dr. Maria
Moormann, die mutige Direktorin der Marienschule
Josef Pelster,
der Schulrat und Naturfreund
Wilhelm
Diederich, Bürgermeister von 1869-1904
Hugo
Ewringmann, Bürgermeister von 1904-1924
Theodor
Lepper, Stadtrendant und Retter in den letzten Kriegstagen
Clara Schmidt,
Kämpferin für die Frauenliste im Stadtparlament
Elisabeth
Schwerbrock, eine hochengagierte Stadtverordnete,
Eugenie
Haunhorst, die Kämpferin für ihre Heimatstadt
Paul Spiegel,
Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland
Paul
Schallück, der vergessene Nachkriegsschriftsteller
Heinrich
Friedrichs, ein Warendorfer Künstler
Theo
Sparenberg, Kinokönig und Tanz- und Anstandslehrer
Wilhelm
Veltman, Retter der historischen Altstadt
Rainer. A. Krewerth, ein schreibender Heimatfreund
Prof. Dr. Alfons
Egen
ein begnadeter Lehrer und Heimatfreund
Änneken Kuntze und ihre Schwester Lilli
Elisabeth Schwerbrock, Stadtverordnete in Warendorf
Anni Cohen und ihre Familie - von Warendorf nach Südafrika und Palästina
Eduard Elsberg erbaute das erste große Kaufhaus in Warendorf