Was hat der Name „Teufelsbrücke“ mit dem Ems-Hochwasser zu tun?
von Heinrich Schallück (Einführung: Mechtild Wolff) (27. 12. 2023)
anlässlich des Emshochwassers Weihnachten 2023


Lohwall-Idylle mit Teifelsbrücke in den 1930er Jahren
 

Es gibt eine alte Geschichte, die den Namen Teufelsbrücke erklärt. Er hängt eng zusammen mit einer alten Glockengießerei, die sich am unteren Münsterwall befand, damals, als die Warendorfer Altstadt noch mit einem Wallgraben umgeben war, der hier in die Ems mündete. Eine Glockengießerei war immer schon ein mystischer Ort voller Geheimnisse. Der berühmte Dichter Friedrich von Schiller hat ein beeindruckendes Gedicht darüber geschrieben, dass wir früher in der Schule auswendig lernen mussten. Es beginnt so:

Das Lied von der Glocke

Fest gemauert in der Erden

Steht die Form, aus Lehm gebrannt.

Heute muss die Glocke werden!

Frisch, Gesellen, seid zur Hand!

Von der Stirne heiß

Rinnen muss der Schweiß,

Soll das Werk den Meister loben;

Doch der Segen kommt von oben.

 

  

„Eine Herbstnacht war es. Dunkle Regenwolken hingen am Himmel und ab und zu schaute der Mond aus seinem Versteck hervor und beleuchtete gespenstisch die Wassermassen, die im Mühlenkolk aufgestaut waren. Er leuchtete weit über die Emswiesen und Fluren, welche von den Wassern überschwemmt waren. Kaum konnten die Schützen der Mühle die Wassermassen durchlassen, die mit unheimlicher Gewalt herangebraust kamen und die alte Oelmühle zu zerdrücken drohten. Der Stadtgraben war bis zum Überlaufen gefüllt, und immer neue Wasserberge brachte die Ems heran. Immer höher leckten die unruhigen Wellen an den Ufern des Stadtgrabens, ein Summen und Glucksen war´s, unheimlich zu hören. Die Anwohner des Münsterwalles sahen mit Angst und Schrecken das stete Steigen des Wassers. Wie lange wird es noch dauern, und das Wasser geht über die Ufer des Grabens! Und dann – wehe den alten und gebrechlichen Häuschen. Das werden sie nicht überstehen, zerdrückt und hinweggeschwemmt werden sie von der Gewalt des Wassers. Ihre Bewohner werden sie unter sich begraben, wenn sie sich nicht früh genug in Sicherheit bringen.

Bernd Walkenford, der Glockengießer, stand wieder, wie heute schon so oft, am Graben und wieder musste er feststellen, dass das Wasser gestiegen war. Nur noch einige Spannen, und das sich wie wild gebärdende Element erreichte den Uferrand. Was wird dann? Er mag nicht daran denken. – Vier Formen stehen bereit, noch in dieser Nacht ist der Guss fertig, und die Glocken müssen gegossen werden. Seine Gesellen warten auf ein Zeichen von ihm, um mit der schweren und gefährlichen Arbeit beginnen zu können. Was wird werden, wenn das Wasser über die Ufer geht und in seine Werkstatt dringt, wenn die Schmelzöfen, die sich in der Erde befinden, unter Wasser gesetzt werden? Nicht ausdenken mag er es. Es ist nicht das schlimmste, wenn die schönen Lehmformen im Wasser zerbröckeln und so ein Werk langer, mühevoller Arbeit vernichtet wird. Auch ist`s ihm nicht schade um den Guss, der aus den besten Metallen zusammengestellt ist. Er mag nicht daran denken, was geschieht, wenn das Wasser sich in die mit glühender Masse gefüllten Schmelzöfen ergießt – nein, nur nicht daran denken, es kann ja nicht sein, darf ja nicht sein! Kein Mensch kann sich erinnern, dass das Wasser jemals den Rand des Stadtgrabens überschritten hätte. Auch heute wird es nicht geschehen!

Bernd Walkenford steht und sinnt. Der Himmel öffnet wieder seine Schleusen und von neuem strömt der Regen wolkenbruchartig hernieder. Der Sturm bricht los, der die an der gegenüberliegenden Seite des Stadtgrabens stehenden mächtigen Pappeln bis in die Wurzeln erbeben macht. Das alles stört den alten Glockengießer nicht. Er ist bis auf die Haut durchnässt, doch er merkt es nicht. Mit dem Ärmel des groben Arbeitskittels trocknet er sich die von Schweiss und Regen benetzte Stirn. – Er steht und stiert in das wilde Wasser. – Da!!!

Was war das? In der Ferne ein Bersten, ein Krachen und Brausen. Ein Getöse, als wenn alle Teufel los wären. Bernd Walkenford horcht auf – wilde Gedankenjagen durch sein Hirn. Sollte die......Doch er braucht nicht mehr weiter zu denken. Der Mond, der für Sekunden durch die schwarzen Wolken schaut, zeigt mit furchtbarer Gewissheit, dass seine Ahnungen richtig waren. Grosse schäumende Wellen kommen aus dem Mühlenkolke gestürzt und ergießen sich, Balken und Bretter mitführend, über die Wiesen in den Stadtgraben. Die alten Schützen hatten den gewaltigen Wassermassen nicht standgehalten und waren zusammengebrochen. Mit ungehemmter Kraft ergossen sich die Wassermassen in den Kolk, welcher wild aufbrausend zu einem wirbelnden Kessel wurde. Bernd Walkenford stand noch am Ufer, als das austretende Wasser schon um seine Füße sprudelte, starr und stumm.

Doch jetzt, wie aus einer tiefen Ohnmacht erwachend, raffte er sich zusammen. Jetzt hiess es handeln, sonst wars um ihn, um seine Familie, seine Gesellen und Nachbarn geschehen! Er lief zur Werkstatt, an deren Schwelle schon das Wasser gluckste. Die Gesellen, die dort beschäftigt waren, glaubten, jetzt solle der Guss beginnen. Doch das verstörte Gesicht des Meisters machte sie stutzig. Er befahl mit eisiger Stimme: „Gesellen, die Teufel sind los, bald werden sie hier sein, um sich ein Mahl zu bereiten, schnell das Feuer unter den Öfen gelöscht und dann fort, das Wasser kommt.“ Mit der Hand deutete er auf die Türschwelle, über die das Wasser hereinspülte.

Das Feuer war bald gelöscht. Meister und Gesellen verliessen die Werkstatt und haben sie nie wieder betreten. Von der nahen Kirche ertönt dumpf und schaurig die Sturmglocke, die aus des Meisters Werkstatt hervorgegangen war. Da verliess der Meister mit seiner Familie und seinen Gesellen die Glockengiesserei, von ihrem Hab und Gut das Notwendigste mitnehmend. Die Nachbarn, welche durch die Sturmglocke in ihrer Ruhe gestört waren, wurden von dem Geschehenen unterrichtet und fluchtartig verließen alle ihre Wohnungen. Sie alle wussten, es ging um ihr Leben.

Noch nicht weit waren die letzten von der Glockengiesserei entfernt, als ein seltsames Getöse entstand, ein Zischen und Sausen, welches aus der Luft zu kommen schien. Das Getöse wurde stärker, es klang wie ferner Donner. Dann ein Bersten und Krachen, und mit furchtbarer Gewalt flog die Glockengießerei in die Luft. Flammengaben stiegen empor und ganze Feuerbälle wurden hoch-geschleudert und kamen in tausenden kleinen Flämmchen wieder herunter, fielen auf die Nachbarhäuser, welche bald in Flammen aufgingen. Ein schaurig schöner Anblick war´s.

Nach und nach verstummte das Zischen, der Feuerregen hörte auf. Die ganze Nachbarschaft war durch die brennenden Häuser taghell beleuchtet. Meister Walkenford, der mit vielen anderen aus der Ferne diesem furchtbaren Schauspiel zugeschaut hatte, sagte zu den Umstehenden: „Die Teufel haben ihr Mahl gekocht und sich beruhigt.“ Das Wasser war in die Glockengiesserei eingedrungen, hatte die Schmelzöfen unter Wasser gesetzt und so das furchtbare Element entfesselt. Bis auf den Grund war die Glockengießerei zerstört. Kein Stein war auf dem anderen geblieben. Auch mehrere der Nachbarhäuser brannten vollständig nieder.“ (Text in Original-Rechtschreibung) 

 

Noch heute heißt das Ende des heute zugeschütteten Stadtgrabens hinter dem Münsterwall „Teufelsküche“ und die Holzbrücke über die Ems ist die „Teufelsbrücke“. Die erste „Teufelsbrücke“ allerdings überbrückte den Stadtgraben, wie man auf dieser alten Postkarte gut erkennen kann.

 


Die Teufelsküche mit der alten Teufelsbrücke über den Stadtgraben
 
 

Die heutige „Teufelsbrücke“ wird tagtäglich von vielen Menschen benutzt, die auf dem Lohwall parken, um bequem und schnell in die Altstadt zu gelangen. Wenn zu Mariä Himmelfahrt und zu Fettmarkt auf dem Lohwall die Kirmes stattfindet, drängen sich die Menschenmassen über diese kleine Holzbrücke.

Bei Hochwasser wird die „Teufelsbrücke“ von den tosenden Wassermassen der Ems umspült und manchmal auch überspült. Bisher hat sie der Macht des Wassers getrotzt – Gott gebe, dass es so bleibt.

Mechtild Wolff


überfüllte Teufelsbrücke anlässlich des Fettmarktes in den 1980er Jahren

 

 
Teufelsbrücke bei Hochwasser in den 1980er Jahren  Teufelsbrücke mit Kottrups Mühle und Emskraftwerk in den 1960er Jahren 

 

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